Kartenhäuser….

….sind wunderschön, brechen nur manchmal in sich zusammen….

Ich baue für mein Leben gerne Kartenhäuser. Das habe ich auch als Kind schon gerne gemacht. Zuerst mit „Bierfilzle“, wie die Bierdeckel bei uns in Bayern heißen, später dann auch mit Spielkarten. Nachdem ich meist eine recht ruhige Hand und ein gutes Gespür habe, bin ich damit meist gut zurecht gekommen und habe durchaus beachtliche Kunstwerke bauen können. Allerdings waren sie leider nie wirklich stabil. Sehr oft kam es vor, dass ein Luftzug oder auch ein kleines Geschwisterkind, dem Vergnügen ein jähes Ende setze und ich frustriert und unglücklich zurückblieb.

Dieses Bild der Kartenhäuser kam mir erst diese Woche wieder in den Sinn. Ich habe nämlich festgestellt, dass ich diese Kartenhäuser, im übertragenen Sinne, auch in meinem Leben baue. Immer wieder. Kartenhäuser, um davon abzulenken wie ich wirklich bin, wie es mir wirklich geht, um zurechtzukommen in einer weitgehend normierten Welt, die nur leider in weiten Teilen anders genormt ist wie ich.

Ich erschaffe eine, manchmal ziemlich fragile, aber kunstvolle Illusion, um es den Menschen in meinem Umfeld recht zu machen. Ich treffe mich, obwohl ich eigentlich meine Ruhe bräuchte, oder ich gehe zum Essen in ein Restaurant, obwohl es mir eigentlich viel zu voll ist und die Speisekarte viel zu viel Auswahl bietet, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ich überfordere mich absichtlich, um das zu haben, was man ein funktionierendes Sozialleben nennt. Und das Ende vom Lied? Ich kann im Anschluss nicht schlafen und brauche mehrere Tage, um mich zu erholen. Und sollte es tatsächlich doch einmal passieren, dass ich bereits im Vorfeld so überfordert und erschlagen bin, dass ich ein solches Treffen einfach nicht leisten kann, dann erfinde ich Ausreden. Inzwischen bin ich richtig kreativ in diesem Bereich. Und meistens merkt man auch gar nicht, dass es Ausreden sind. (Amüsanterweise meinen viele aber ich würde eine Ausrede suchen, wenn ich einmal tatsächlich die Wahrheit sage, wie etwa, dass ich mich wegen hoher Coronazahlen im Moment mit niemandem treffen möchte. Zumindest nicht in geschlossenen Räumen. Weil ich es als unverantwortlich empfinde. Das wiederum kann sich kaum jemand vorstellen und meint ich hätte einfach Angst, möchte das aber nicht sagen… …und da soll man nicht verwirrt sein… )

Die Frage, die mich nun seit dieser Woche ernsthaft beschäftigt, ist: möchte ich das wirklich immer so weitermachen? Möchte ich die ganze Zeit Illusionen aufbauen und Ausreden erfinden, oder, um es noch eine Spur härter auszudrücken, möchte ich wirklich mein Leben lang allen Menschen in meinem Umfeld etwas vorlügen, nur damit sie meinen, ich wäre so normal wie sie und hätte immer und jederzeit Spaß und Freude an dem, was sie selbst toll finden? Aus lauter Angst, ich könnte sie enttäuschen und würde dann als Konsequenz weniger „geliebt“?

Was würde denn passieren, wenn ich genau das sein lassen würde? Wenn ich endlich beginnen würde, diese vermaledeite Maskerade wirklich nur noch dann zu betreiben, wenn es wirklich notwendig ist? Sollten Freundschaften so etwas nicht aushalten können? Sollte es in einer Freundschaft nicht auch darum gehen, was mir selbst gut tut? Ist es wirklich ein „geliebt“ sein, wenn man es nur dem Gegenüber recht zu machen versucht, sich selber darüber aber komplett aus dem Blick zu verliert?

Vielleicht ist es Zeit, das größte Kartenhaus, mit seinen vielen kleinen, tatsächlich in sich zusammenfallen zu lassen und eher ein Haus aus Holzbauklötzen zu bauen. Das sieht zwar nicht so beeindruckend, leicht und kunstvoll aus, es ist aber stabil. Und es entspricht mir. Ich brauche Stabilität und Sicherheit, Klarheit und Wahrhaftigkeit und die Möglichkeit zu wissen, dass mein Haus auch noch steht, wenn ich mal nicht so gut darauf aufpasse. Ich möchte einfach endlich aufhören mich zu verkleiden und aus der Deckung kommen, hinter der ich sitze, seit ich denken kann. Leicht werden wird das nicht, das ist mir klar, denn nach etwas mehr als 40 Jahren Maskenball, muss man sich erst mal in der eigenen Realität zurechtfinden.

Also dann… wo sind die (bunten!! am besten mit Glitzer!!!) Bauklötze? 🙂